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Wie gründet man eine Genossenschaft?

Wann gründen?
In welchen Situationen kommt es zur Gründung einer neuen Baugenossenschaft? Zum Beispiel, wenn sich eine Gemeinde dazu entschliesst, zu günstigen Bedingungen Land an eine Genossenschaft abzutreten. Oder wenn eine Liegenschaft zum Verkauf steht oder bereits erschlossenes Bauland erworben werden kann. Es kommt aber auch vor, dass sich Mieterinnen und Mieter aus persönlicher Betroffenheit die Gründung einer Genossenschaft überlegen, etwa wenn sie erfahren, dass ihr Haus verkauft werden soll.
Tipp: Bevor man an die Gründung einer neuen Genossenschaft geht, empfiehlt es sich zu überlegen, ob allenfalls die Zusammenarbeit mit einer bestehenden Baugenossenschaft in Frage käme.

Vor allem, wenn rasche Entscheide erforderlich sind oder wenn ein grösseres Projekt die Kapazitäten einer neuen Genossenschaft übersteigt, lohnt sich die Suche nach einer in der Region tätigen Genossenschaft. Es gilt allerdings zu bedenken, dass man bei der Zusammenarbeit mit einer bestehenden Genossenschaft unter Umständen weniger Entscheidungskompetenzen hat als bei einer Neugründung.

Entschliesst man sich, eine neue Genossenschaft zu gründen, empfiehlt es sich insbesondere in ländlichen Gemeinden, diese möglichst breit abzustützen oder die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden zu suchen.

Wie gründen?
Eine Genossenschaft zu gründen ist keine Hexerei. Es verlangt aber eine gründliche Vorarbeit, bis der Termin für die öffentliche Beurkundung sowie der Eintrag ins Handelsregister bewerkstelligt sind. Erst der Handelsregistereintrag lässt die Genossenschaft als eigenständige Rechtspersönlichkeit entstehen.

Mithilfe der Musterstatuten von Wohnbaugenossenschaften Schweiz sowie den Vorlagen der Gründungsdokumente der Handelsregisterämter (beispielsweise Zürich) lässt sich dieser Prozess Schritt für Schritt vollziehen. Es empfiehlt sich ausserdem, die Beratung des Rechtsdiensts von Wohnbaugenossenschaften Schweiz in Anspruch zu nehmen. Bereits in der Gründungsphase haben neue Mitglieder des Verbands Anspruch auf zehn kostenlose Beratungsstunden.

Folgendes ist nötig für die Genossenschaftsgründung:

1. Schriftliche Statuten
Die Statuten sind eine Art Verfassung, in der die Genossenschaft die Regeln festlegt, nach denen sie funktionieren soll. Der gesetzliche Spielraum des Genossenschaftsrechts lässt relativ viele Freiheiten, gewisse Punkte sind jedoch zwingend zu definieren, und manche Vorgaben können nicht abgeändert werden wie das Gleichbehandlungsgebot und das Kopfstimmprinzip. Zwingend in den Statuten festgehalten werden müssen unter anderem die Firma, ihren Sitz sowie Zweck, die Form der Mitteilungen an Mitglieder und allfällige Leistungspflichten.

Fakultativ sind indes Regelungen, die bereits in bestehendem Recht (z.B. im Mietrecht) festgehalten sind. Der Rechtsdienst von Wohnbaugenossenschaften Schweiz empfiehlt, sich so weit wie möglich nach den Musterstatuten des Dachverbands zu richten.
Tipp: Regelungen, die vor allem die Organisation oder die Einzelheiten der Vermietung betreffen, hält die Genossenschaft am besten in separaten Reglementen fest. Diese lassen sich später grundsätzlich auch ohne eine Statutenänderung anpassen.

Folgende Punkte sollten gemäss den Empfehlungen von Wohnbaugenossenschaften Schweiz in den Statuten erwähnt sein:

Name: Bei der Namenswahl sind die Initianten relativ frei. Wichtig ist für den Handelsregistereintrag allerdings, dass der Begriff „Genossenschaft“ in der Firmenbezeichnung enthalten ist. Nationale, territoriale oder regionale Bezeichnung müssen durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister bewilligt werden (Ausnahme: Substantiv-Form, z.B. „Wohnbaugenossenschaft Uster“). Der Name muss sich ausserdem von bereits bestehenden Firmen deutlich unterscheiden. Eine Liste aller bereits eingetragenen Unternehmen findet sich hier. Zudem besteht die Möglichkeit, bei REGIX eine Firmenrecherche in Auftrag zu geben. 

Zweck: Im Zweckartikel wird umschrieben, was mit der zu gründenden Genossenschaft angestrebt wird (zum Beispiel, ob auch Wohneigentum oder die Veräusserung von Wohneinheiten möglich sein sollen).

Gemeinnützigkeit: Die Genossenschaft muss gemeinnützig sein, damit sie von gewissen Abgaben befreit ist und von Fördermassnahmen der öffentlichen Hand profitieren kann. Die Gemeinnützigkeit muss nicht nur in den Statuten, sondern sollte vorzugsweise auch im Zweck erwähnt sein (Details zu den Formulierungen finden sich in den Musterstatuten).

Genossenschaftskapital: Mit Anteilscheinen beteiligen sich die Mitglieder am Genossenschaftskapital. Die Höhe des Betrags kann die Genossenschaft frei wählen, auch unterschiedliche Anteile (zum Beispiel Mitgliedschafts- und Wohnanteile) sind möglich.

Vorstand und Generalversammlung: Die Generalversammlung (GV) ist das oberste Organ der Genossenschaft. Gewisse Kompetenzen der GV sind rechtlich (Art. 879 OR) zwingend vorgeschrieben. Darüber hinaus können Genossenschaften in ihren Statuten die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand (im OR wird dafür der Begriff „Verwaltung“ verwendet) und Generalversammlung weitgehend frei regeln. Bei der Regelung der übrigen Kompetenzen gilt es, einerseits eine möglichst demokratische Mitsprache der Mitglieder zu gewährleisten, andererseits den Vorstand dennoch handlungsfähig zu machen.

Als Alternative zur Generalversammlung sind (in grossen Genossenschaften mit mehr als 300 Mitgliedern) auch eine Delegiertenversammlung oder eine Urabstimmung möglich. Mit einer entsprechenden statutarischen Grundlage sind neu zudem auch virtuelle Generalversammlungen zulässig.
Tipp: Es ist nicht sinnvoll, für Alltagsentscheide eine Generalversammlung einberufen zu müssen.

Revisionsstelle: Je nach Grösse der Genossenschaft sind unterschiedliche Revisionen erforderlich. Die meisten Genossenschaften unterliegen einer sogenannten eingeschränkten Revision, nur ganz grosse Unternehmungen sind zu einer ordentlichen Revision verpflichtet. Kleine Baugenossenschaften, die ohne Bundeshilfen auskommen (das heisst nicht mehr als 30 vom Bund unterstützte Wohnungen besitzen), können auch ganz auf eine Revision verzichten (sogenanntes Opting Out). Kleine Baugenossenschaften, die Bundeshilfen beziehen, müssen mindestens eine so genannte prüferische Durchsicht durchführen.
Wichtig: Auch eingeschränkte Revisionen dürfen nur von anerkannten Fachleuten durchgeführt werden. Wohnbaugenossenschaften Schweiz bietet die prüferische Durchsicht an und kann bei Bedarf qualifizierte Revisionsgesellschaften vermitteln. Mehr Informationen finden sich hier.

Nicht gewinnorientiert: In den Statuten muss auch festgehalten werden, ob und zu welchem Zinssatz (zulässig sind zurzeit maximal sechs Prozent) das Anteilscheinkapital verzinst wird und was bei einer Auflösung der Genossenschaft mit einem allfälligen Liquidationsüberschuss geschieht. Üblich ist die Verwendung für genossenschaftliche Zwecke oder zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen.
Tipp: Hilfe bei der Formulierung der Statuten leisten die Musterstatuten oder bei individuellen Fragen der Rechtsdienst von Wohnbaugenossenschaften Schweiz.
Wichtig: Die Leistungspflichten der Mitglieder (wie zum Beispiel Zeichnung von Anteilkapital, Mitgliederbeiträge, Mitwirkungspflichten oder Pflicht zum Wohnungswechsel bei Unterbelegung) müssen in den Statuten verankert und in ihrem Umfang bestimmt bzw. bestimmbar sein.

Steht der Statutenentwurf, kann er dem kantonalen Handelsregisteramt zur (kostenpflichtigen) formellen Vorprüfung eingereicht werden. Hält man sich an die Vorgaben der Musterstatuten und klärt allfällige Unsicherheiten mit dem Rechtsdienst von Wohnbaugenossenschaften Schweiz ab, kann auf eine Vorprüfung beim kantonalen Handelsregisteramt verzichtet werden.

Die Urkundsperson prüft zudem die Statuten im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben, meist jedoch ohne auf die spezifischen Eigenheiten von Wohnbauträgern einzugehen.

2. Öffentlich beurkundete Gründungsversammlung
Der nächste Schritt nach der Erstellung der Statuten ist die Gründungsversammlung, die öffentlich zu beurkunden ist. Dafür braucht es einen Beurkundungstermin mit einer Urkundsperson (kostenpflichtig) sowie mindestens sieben Personen, die Mitglieder werden. Das Notariat ist kantonal geregelt – weitere Informationen dazu finden sich hier und hier.

Für eine rechtsgültige Gründungsversammlung sind folgende Unterlagen nötig:
  • Statuten: vgl. oben
  • Gründungsurkunde: In der Gründungsurkunde, die von der Urkundsperson ausgefertigt wird, werden folgende Punkte festgehalten: Behandlung und Genehmigung der Statuten, Genehmigung des Gründungsberichts bzw. Erklärung, dass keine (weiteren) Sacheinlagen, Verrechnungstatbestände oder besondere Vorteile bestehen, Wahl des Vorstandes, Wahl der Revisionsstelle bzw. Opting Out, in der Regel Festlegung des Domizils der Genossenschaft und gegebenenfalls bereits Festlegung der Zeichnungsberechtigung. Die Urkunde ist von den Gründungspersonen und der Urkundsperson zu unterzeichnen.
  • Gründungsbericht: Ein schriftlicher Gründungsbericht ist nur dann erforderlich, wenn eine Sacheinlage vorliegt, wenn also ein Gründungsmitglied seine Anteile mittels anderen Vermögenswerten als Geld deckt. Dann spricht man von einer qualifizierten Gründung, was auch in den Statuten erwähnt werden muss.
Wichtig: Für die Gründungsversammlung ist rechtzeitig eine Urkundsperson beizuziehen. Zudem ist es sinnvoll, bereits die Unterlagen für die Handelsregisteranmeldung vorbereitet zu haben.

3. Handelsregister-Anmeldung
Mit der Anmeldung beim Handelsregister folgt der letzte Schritt der Genossenschaftsgründung. Dazu gilt es folgende Punkte zu beachten und Unterlagen bereit zu haben:
  • Anmeldung Neueintragung (unterzeichnet)
  • Gründungsurkunde Genossenschaft (vgl. oben)
  • Statuten (vgl. oben)
  • Wahlannahmeerklärung der Vorstandsmitglieder (einzeln, sofern nicht in Gründungsurkunde enthalten)
  • Wahlannahmeerklärung der Revisionsstelle (sofern kein Opting Out erfolgte)
  • DomizilhalterErklärung (sofern nicht in Gründungsurkunde enthalten): Falls die neue Genossenschaft noch über keinen Geschäftssitz verfügt, stellt ein Mitglied seine Adresse als Domizil der Genossenschaft zur Verfügung.
  • LexFriedrich-Erklärung: Die Genossenschaft muss bestätigen, dass sie keine bewilligungspflichtigen Grundstücke erwirbt. Dies bedeutet, dass Personen, die im Ausland wohnen oder über keine C-Niederlassung verfügen, nicht als Gründungsmitglieder in Erscheinung treten sollten.
  • Notariell beglaubigte Unterschriften: Am besten wird im Anschluss an die Gründungsversammlung eine konstituierende Vorstandsitzung einberufen, in der Ressorts, Aufgaben und Unterschriftenberechtigung festgelegt werden, sofern dies nicht anlässlich der Gründungsversammlung selbst erfolgt. Auf einem Unterschriftenblatt müssen die Berechtigten ihre Unterschrift doppelt anführen und für den Eintrag ins Handelsregister notariell beglaubigen lassen.
Die Handelsregister-Anmeldung ist kostenpflichtig. Das Handelsregisteramt überprüft die Unterlagen, was bis zu einigen Monaten dauern kann. Mit der Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt ist die Genossenschaftsgründung abgeschlossen. Gratulation, es ist geschafft!
Tipp: Eine Mitgliedschaft bei Wohnbaugenossenschaften Schweiz lohnt sich bereits in der Gründungsphase: Neue Baugenossenschaften, die sich noch im Gründungsprozess befinden und Mitglied bei einem Dachverband werden möchten, haben Anspruch auf zehn Stunden kostenlose Beratung und profitieren bei den übrigen Dienstleistungen (zum Beispiel Dokumenten des Fachverlages oder Weiterbildungsveranstaltungen) bereits vom vergünstigten Mitgliedertarif.