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Wie führen?

Wohnbaugenossenschaften sind ganz unterschiedliche Organisationen: Die kleinsten Genossenschaften, die im Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz Mitglied sind, besitzen noch gar keine oder nur eine Handvoll Wohnungen; die grössten verwalten mehrere tausend Wohneinheiten. DIE Wohnbaugenossenschaft gibt es also nicht: Nicht nur, was die Grösse, sondern auch was die Kultur, das Selbstverständnis oder die Organisationsform betrifft, unterscheiden sie sich stark voneinander. Etwas aber gilt für alle Wohnbaugenossenschaften, selbst wenn sie noch so klein und nebenamtlich geleitet sind: Sie müssen professionell geführt sein; Ziele und Verantwortlichkeiten sollten verbindlich festgelegt werden.

Das Führen einer Wohnbaugenossenschaft ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wenn die Hürden von Gründung, Finanzierung und Bauen genommen sind, kommen neue Herausforderungen auf den Genossenschaftsvorstand zu. Es gilt, mit einer vielfältigen Bewohnerschaft zurechtzukommen und das Zusammenleben von Menschen verschiedener Schichten, Kulturen und Generationen zu ermöglichen. Die Wohnsiedlungen müssen gut unterhalten und eines Tages gemäss aktuellen ökologischen und gesellschaftlichen Anforderungen erneuert werden. Will die Wohnbaugenossenschaft dazu beitragen, den Marktanteil der gemeinnützigen Wohnbauträger zu erhalten oder zu erhöhen, dann muss sie weiter wachsen, neues Bauland finden oder an bestehenden Standorten verdichten.

Wo gibt es Know-how?
Wohnbaugenossenschaften Schweiz ist die Professionalisierung der Wohnbaugenossenschaften ein Anliegen. Er unterstützt seine Mitglieder deshalb unter anderem mit Musterdokumenten, Checklisten, Merkblättern, Weiterbildungsangeboten und individueller Beratung. Zusätzlich bietet er einen Lehrgang für das Management von gemeinnützigen Wohnbauträgern an. Nutzen Sie dieses Know-how und holen Sie sich das Rüstzeug und die Unterstützung, die Sie für Ihre gesellschaftlich wichtige Aufgabe benötigen!

Die nachfolgenden Tipps sind sehr allgemein formuliert und müssen sicher je nach Grösse und Organisationsform der Genossenschaft angepasst werden. Sie sind deshalb eher als Wegleitung gedacht für Wohnbaugenossenschaften, die sich neu formieren oder ihre Organisationsstruktur und Führungsstrategie überdenken möchten. Wo vorhanden, verweisen sie auf weiterführende Informationen und Hilfsmittel.

Wie sind Genossenschaften organisiert?
Um eine professionelle Führung zu gewährleisten, empfiehlt es sich, ein Geschäfts- oder Organisationsreglement für die Genossenschaft zu erstellen, in dem die verschiedenen Gremien, Verantwortlichkeiten und Geschäftsabläufe genau definiert sind. Auch kleine Genossenschaften sollten zumindest einzelne Regelungen festhalten. Ein Musterreglement ist hier erhältlich.

In der Regel sind Wohnbaugenossenschaften wie folgt organisiert:
Der Vorstand setzt sich aus mindestens drei (empfehlenswert sind fünf bis sieben) Mitgliedern zusammen, die von der Generalversammlung für eine Amtsdauer von zwei bis vier Jahren gewählt werden. Ihm obliegt die strategische Leitung der Genossenschaft. Dazu gehören die folgenden Aufgaben:
 
  • Oberleitung der Genossenschaft (Entwicklung der strategischen Ziele, Festlegung der notwendigen Mittel, Kontrolle der Ausführenden)
  • Festlegung der Organisation (Geschäftsreglement)
  • Finanzielle Führung (Ausgestaltung Rechnungswesen, Finanzkontrolle, Finanzplanung)
  • Bestellung und Beaufsichtigung der Geschäftsführung
  • Erstellung eines Geschäftsberichts
  • Vorbereitung und Einberufung der Generalversammlung. Die Termine und Regeln zur Durchführung der GV sind in den Statuten der Genossenschaft festgelegt (siehe auch Musterstatuten, Art. 25ff) festgelegt. Die Weiterbildung von Wohnbaugenossenschaften Schweiz bietet auch regelmässig Kurse zur Vorbereitung der GV an.
  • Benachrichtigung des Richters bei Überschuldung
  • Beachten von Gesetz und Statuten
  • Zusätzliche Pflichten gemäss Statuten
Geleitet wird der Vorstand vom Präsidenten/von der Präsidentin der Genossenschaft, der/die auch für die personelle Führung der Vorstandsmitglieder und der Geschäftsleitung zuständig ist.

Es ist ausserdem sinnvoll, innerhalb des Vorstands Ressorts oder Kommissionen auszubilden. Üblich sind zum Beispiel die Ressorts Finanzen (Finanzkommission), Bau (Baukommission), Protokollführung (Aktuar) und eventuell Kommunikation (Kommunikationskommission).

Vorstandsarbeit umfasst also weit mehr als lediglich die Teilnahme an Sitzungen. Wichtig zu wissen ist, dass der Vorstand als gesamtes oder einzelne Vorstandsmitglieder bei Schadenfällen haftbar gemacht werden können, zum Beispiel bei fehlerhaften Abrechnungen von Sozialversicherungsprämien, für Schäden aus nicht bezahlten Versicherungsleistungen, für eine Verletzung der Sorgfaltspflicht oder generell für strafrechtliche Tatbestände. Diese Haftungsrisiken können teilweise versichert werden.  Wohnbaugenossenschaften Schweiz bietet zum Beispiel für Vorstände von Genossenschaften eine sogenannte „Directors & Officers“ (D&O)-Versicherung an.

Für ihr Engagement und für die Verantwortung, die sie übernehmen, haben die Vorstandsmitglieder Anspruch auf eine Entschädigung. Die Höhe der Entschädigung ist rechtlich nicht vorgeschrieben, sollte aber «massvoll» sein und dem tatsächlichen Aufwand entsprechen. Nicht zulässig ist eine Gewinnbeteiligung, das heisst die Ausrichtung von Tantiemen. Das Tantiemenverbot muss auch in den Statuten festgehalten werden. Würde einem Vorstandsmitglied eine sehr hohe Entschädigung entrichtet, die in keinem Verhältnis zu seiner Leistung steht, würde damit das Tantiemenverbot umgangen. Die Vergütungen an Vorstandsmitglieder sollten in der Erfolgsrechnung der Genossenschaft als Aufwand separat ausgewiesen werden. Weitere Informationen finden sich im kostenlosen Merkblatt von Wohnbaugenossenschaften Schweiz zur Entschädigung des Vorstandes von Baugenossenschaften.

Für die operative Leitung der Genossenschaft, also für das „Tagesgeschäft“, ist die Geschäftsführung oder Geschäftsleitung zuständig. Wenn immer möglich sollten die strategische und operative Ebene klar getrennt sein. In grösseren Baugenossenschaften, die einen vollamtlichen Geschäftsführer beschäftigen, ist dies sicher einfacher als in kleineren Organisationen mit einer nebenamtlichen Verwaltung.

Welche Führungsinstrumente gibt es?
Alle diese Funktionen, ihre Verantwortlichenkeiten, Stellvertreter und auch die Zeichnungsberechtigten sollten im Geschäftsreglement festgehalten werden. Daneben sind auch die Statuten und das Leitbild der Genossenschaft wichtige Führungsinstrumente. Im Leitbild hält die Baugenossenschaft ihre Wertgrundlagen fest: Welches ist ihr Selbstverständnis, was ist ihr wichtig, welche Werte bestimmen ihr Handeln, an welche Zielgruppe richtet sie sich? Sinnvoll ist es auch, wenn sich der Vorstand langfristige Ziele (z.B. Anteil Familienwohnungen erhöhen, Wohnungsbestand um zwanzig Prozent ausbauen, Energiebezug senken) und Jahresziele setzt, diese schriftlich festhält und regelmässig überprüft.

Zu einer professionellen Führung gehört heute auch die Ausrichtung an so genannten Corporate-Governance-Grundsätzen. Unter Corporate Governance versteht man alle Grundsätze, die eine verantwortungsbewusste und wirkungsorientierte Führung sicherstellen. Gerade für Wohnbaugenossenschaften sind solche Grundsätze sehr wichtig. Denn sie verfolgen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Ziele und geniessen in der Öffentlichkeit grosses Vertrauen. Sie sind deshalb auch einem erhöhten Druck ausgesetzt, ihre Organisation professionell, kompetent und transparent zu führen. Mehr Informationen und Beispiele für Corporate-Governance-Grundsätze finden sich im kostenlosen Merkblatt «Empfehlungen zur guten Führung (Corporate Governance) von Wohnbaugenossenschaften».

Für grosse Wohnbaugenossenschaften (in denen zwei der drei folgenden Limiten in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten werden: mehr als 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt, eine Bilanzsumme von mindestens 10 Mio. CHF oder ein Umsatz von mindestens 20 Mio. CHF) genügen Geschäftsreglement und Corporate-Governance-Grundsätze nicht: Sie sind auch verpflichtet, ein so genanntes internes Kontrollsystem (IKS) zu führen. Kleinere Organisationen müssen einfach eine jährliche Risikoanalyse durchführen, doch auch für sie kann ein IKS sinnvoll sein. Das IKS soll eine interne Kontrolle sein, bei der Prozesse und Zuständigkeiten definiert und die nötigen Funktionentrennungen sichergestellt werden. Es gilt auch, Risiken zu definieren und im Auge zu haben, etwa, wenn bei bestimmten Vorgängen eine Person allein grössere Transaktionen auslöst. Bei grösseren Organisationen muss die Revisionsstelle prüfen, ob ein IKS besteht. Gemäss Revisionsrecht ist bei Baugenossenschaften dieser Grösse eine ordentliche Revision zwingend vorgeschrieben. Andere Baugenossenschaften können sich auf eine eingeschränkte Revision, ganz kleine auch auf eine prüferische Durchsicht beschränken. Mehr Informationen zum Revisionsrecht und den verschiedenen Optionen für Baugenossenschaften finden sich hier. Für mittlere und kleine Baugenossenschaften bieten die Fachleute von Wohnbaugenossenschaften Schweiz die eingeschränkte Revision und die prüferische Durchsicht als Dienstleistung an.